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Beach Boys

Musik

Die Musik der Beach Boys wurde durch die unterschiedlichen Vorlieben ihrer Mitglieder bestimmt: Brian Wilsons Haupteinflüsse waren die Musik George Gershwins und der Four Freshmen sowie die Arrangements von Phil Spector. Carl Wilson wurde durch Rock ’n’ Roll und dabei speziell die Gitarrenriffs von Chuck Berry inspiriert. Dennis Wilson führte zumindest gelegentlich ein Leben am Strand, das die Beach Boys viele Jahre „besangen“. Seine Eindrücke schilderte er seinem Bruder Brian Wilson. Die Kombination dieser drei Einflüsse prägte ihren „kalifornischen Sound“ in den ersten Jahren.

Auf dem ersten Album waren Mike Love und Brian Wilson als Leadsänger vertreten. Love sang die Rock-’n’-Roll-Stücke und Wilson die Balladen. Die Arrangements der Lieder waren anfangs relativ einfach, wurden später aber – unter anderem beeinflusst durch Phil Spectors Technik der Wall of Sound – zunehmend ausgereifter und aufwändiger, so dass für die Aufnahme eines Liedes meist über 40 Studiomusiker anwesend waren. Ab dem verstärkt durch Soulmusik geprägten Album Wild Honey (1967) wurden die Songs wieder einfacher arrangiert und die Instrumente von der Band selbst eingespielt. Da ab diesem Zeitpunkt die anderen Bandmitglieder komponierten und produzierten, wurde der Stil der Beach Boys facettenreicher.

In den frühen 1970er Jahren wurde die Musik durch die südafrikanischen Musiker Fataar und Chaplin zunehmend R&B-lastiger. Dies änderte sich erst 1976, als Brian Wilson wieder zur Band zurückkehrte. Er beschäftigte sich zu dieser Zeit, wie sein Bruder Carl, intensiv mit dem Moog-Synthesizer und setzte diesen verstärkt auf den Alben ein. Dies veränderte den Klang der Lieder nachhaltig. Das Album The Beach Boys Love You wurde fast ausschließlich mit dem Moog eingespielt. Gegen Ende der 1970er Jahre versuchten die Beach Boys so zu klingen wie in jüngeren Jahren und setzten vollends auf die „Nostalgiewelle“.

1985 wollte der neue Produzent der Beach Boys, Terry Melcher, einen neuen Sound für die Band kreieren. Die Musik wurde vermehrt durch elektronische Komponenten wie z. B. elektronisches Schlagzeug, E-Bass und einen dominierender Keyboard-Klang bestimmt. Zudem wurde auf die für die Beach Boys typische Falsettstimme verzichtet. Die ebenfalls typischen vierstimmigen Vokalharmonien der Gruppe wurden nur noch vereinzelt verwendet, und stattdessen teilten sich die verschiedenen Sänger die Lead-Stimmen untereinander auf. Auf dem letzten Album Summer in Paradise wurde die verfügbare Studiotechnik noch mehr eingesetzt. Aufgrund des fremdartigen und elektronischen Klangs wurde es von der Fangemeinde komplett ignoriert.

Harmonik

Die musikalischen Komponenten und die Kompositionsweise veränderten sich über die Jahre hinweg ebenfalls. Brian Wilson schrieb anfangs Stücke mit einfachen Kadenzformeln. Beispiele für die Beschränkung auf wenige Akkorde sind Surfin’ USA mit den Stufen I, IV und V oder Little Deuce Coupe mit den Stufen I, II, IV, und V.

Der Bass ist in vielen Stücken einfach gehalten und beschränkt sich oft auf das Spielen des Akkordgrundtones in gleichmäßigen Vierteln oder mittels langgehaltener Orgeltöne. Exemplarisch dafür sind die Titel Country Air mit vollkommen durchgehaltener Grundtonbegleitung, der Abschnitt ab 2.30 in Good Vibrations, und Vegetables, das sich bis auf einen kurzen A-cappella-Einwurf auf das Spielen der Grundtöne von D-Dur, A-Dur und E7 in gleichmäßigen Vierteln beschränkt. Der Refrain von California Girls (siehe Notenbeispiel) beschränkt sich auf akkordeigene Grundtöne in Vierteln. Später wurde es Wilsons Markenzeichen, dass er den Bass versetzte und nicht mehr nur den Grundton spielte, sondern ihn auch auf Terz oder Quinte aufbaute. Die Transponierung um einen Halbton wurde ebenso wie erweiterte Akkorde, komplexere und ungewöhnliche Akkordfortschreitungen, Wechsel in entfernte Tonarten und chromatische beziehungsweise enharmonische Modulationen öfters angewendet.

Ein verstärkter Einsatz von Chromatik mit einer halbtönig abwärts geführten Tenorstimme und Vierklängen ist in Their Hearts Were Full of Spring (Notenbeispiel) zu beobachten. Ein Beispiel für den mehrmaligen Wechsel der Tonart innerhalb eines Titels ist der Refrain von California Girls (Notenbeispiel). Hier wechselt innerhalb weniger Takte die Tonart von H-Dur zu A-Dur, dann zu G-Dur und wieder zu H-Dur. In jeder neuen Tonart wird dabei die erste Stufe und der Septakkord der zweiten Stufe gebracht. In Warmth of the Sun unterlegt Wilson die Melodie mit der ungewöhnlichen Akkordfolge C – Am – Eb – Cm – Dm – G – G+. Dabei fällt besonders der Akkord Eb, aber auch Cm aus dem Rahmen sonst üblicher I-VI-IV-V-Akkordprogressionen der Popmusik, was dem Titel ein Jazzfeeling verleiht. Eine komplexe, Barbershop-Elemente mit Jazz verbindende Harmonik weist auch der Titel Heroes and Villains auf. Ebenso ungewöhnlich und überraschend ist die Akkordfolge D/A – Hm6 – F#m – F#m7 – F#m6/A – E/B – Cdim – E/B – Bm7–5 – A – E/G# – F#m 7- E im Titel God Only Knows oder im rein instrumentalen Let’s Go Away for a While vom Album Pet Sounds. Kurze Abschnitte der Titel auf Pet Sounds (I Know There’s an Answer, 1’39 bis 1’46 und 2’27 bis 2’34) oder Smiley Smile fallen sogar gänzlich aus dem sie umgebenden harmonisch-tonalen Rahmen heraus.

Vokalsatz

Im Vokalsatz der Band wechseln auch innerhalb einzelner Titel einstimmig oder unisono gehaltene mit vierstimmigen Abschnitten, in denen die melodisch führende Oberstimme von rhythmischen Einwürfen oder längergehaltenen Harmonien der anderen Stimmen begleitet und kontrastiert wird. Öfters bewirken dabei die von der Einstimmigkeit bis zur Vierstimmigkeit nacheinander einsetzenden Stimmen – wie zum Beispiel in 0’49 bis 0’53 von Little Deuce Coupe – eine sukzessive Steigerung der klanglichen und harmonischen Dichte. Öfters wechseln – wie zum Beispiel in Titeln wie Fun, Fun, Fun oder Heroes and Villains – primär einstimmige Passagen mit vierstimmigem Vokalsatz.

Typisch ist die Begleitung/Kontrastierung der einzelnen Oberstimme durch wiederholte, rhythmisch angelegte Einwürfe der restlichen Stimmen. Gut zu beobachten ist dies im Titel I Get Around. Dieser beginnt mit einer viertaktigen sich von der Einstimmigkeit bis zur Vierstimmigkeit steigernden im A-cappella-Einsatz vorgetragenen primär rhythmisch und rein harmonisch gehaltenen Figur. Danach (0’08 bis 0’19) wird die in lang gehaltenen Notenwerten agierende Oberstimme mittels des ständigen Einwurfs der Anfangsfigur der übrigen Stimmen – mit einem anderen Text als die Oberstimme (…get around, ’round, ’round, I get around) – kontrastiert. Dem folgt (0’20 bis 0’38) eine einstimmig und dünner instrumentierte gehaltene Passage. Im Rest des Titels wiederholt sich dieses Wechselspiel mehrmals. Weitere Beispiele sind die Begleitung der Oberstimme durch in Achteln gesetzte, rhythmische Harmonien (la-la-la-la in 0’37 bis 0’52) im Titel You’re so Good to Me oder die rhythmischen Einwürfe (…inside, outside USA) im Song Surfin’ USA.

In Titeln und Abschnitten mit einer in kürzeren Notenwerten gehaltenen Oberstimme werden meist langgezogene Harmonien oder Liegetöne der restlichen Stimmen eingesetzt. Ein Beispiel hierfür ist die Strophe (0’07 bis 0’22) des Titels Little Deuce Coupe. Die in Achtelwerten erscheinende Oberstimme wird hier durch langgehaltene Harmonien der anderen Vokalisten begleitet.

Wie sich die Gestaltung von Oberstimmen und den restlichen Stimmen gegenseitig bedingt, ist exemplarisch am Titel Be True to Your School (ab 0’41) gut zu beobachten. An Stellen mit einer bewegten Oberstimme beschränken sich die Begleitstimmen – um nicht in Konflikt mit dieser zu geraten – auf langgehaltene Harmonien. Sobald die Oberstimme aber einen länger liegenden Ton aufweist, nützen dies die restlichen Stimmen für selbstständige Einwürfe.

In Balladen wie In My Room oder Girls on the Beach ist der Vokalsatz mehrheitlich vierstimmig mit einigen von der Oberstimme dominierten Passagen (beispielsweise im Titel Wendy oder Let Him Run Wild). Kontrastierende Einwürfe der übrigen Stimmen sind eher selten.

Rhythmus und Metrik

Die frühen Aufnahmen der Band verfügen meist über einen durchgehaltenen, zeitgenössisch-konventionellen Schlagzeugpart mit Betonung der Taktschwerpunkte 1 und 3, Snaredrum auf 2 und 4, und einen konstanten Achtel beziehungsweise Viertelpuls auf den Becken. Neben schnellen Titeln im 4/4-Takt stehen langsame, meist im triolisch empfundenen 12/8-Takt komponierte Balladen wie zum Beispiel Surfer Girl, The Warmth of the Sun, In My Room oder The Girls on the Beach.

Ab den Alben Pet Sounds und Smiley Smile ändert sich dies. Der perkussive Teil ist stark reduziert. Wenn Stücke nicht ganz ohne Rhythmusinstrumente gesetzt sind, werden sie oft nur spärlich mit einem allerdings erweiterten Arsenal an melodischeren Perkussionsinstrumenten ergänzt. Häufig beschränkt sich der Anteil der Perkussion auf ein dezentes Andeuten der Viertelschläge (Don’t Talk), nur des Taktanfanges (You Still Believe in Me), oder das gelegentliche Setzen von Akzenten (That’s Not Me). Der rein instrumentale Titel Pet Sounds verbreitet allerdings durch den Einsatz diverser Perkussionsinstrumente einen fast schon lateinamerikanisch anmutenden Charakter. Auf ihrem Nummer-eins-Hit Kokomo aus dem Jahr 1988 setzen die Beach Boys wieder lateinamerikanische Perkussion ein. Der extreme Gegensatz zwischen hohen und gelegentlich eingesetzten tiefen Schlaginstrumenten tritt auch in anderen Titeln von Pet Sounds hervor, etwa Caroline, No.

Form

Mit 59 % ist die Mehrzahl von Brian Wilsons Kompositionen in der Verse/Chorus-Form gehalten. Bei den Songs der Beatles ist dieser Anteil mit 24 % dagegen deutlich geringer. Der Anteil der Beach-Boys-Titel an der AABA-Form ist mit 29 % – Beatles dagegen 76 % – relativ gering.

Auffallend oft benutzten Wilson wie auch Lennon/McCartney in der Popmusik der frühen 1960er Jahre ansonsten eher selten verwendete Bluesformen und daraus abgeleitete Formen (Surfer Girl, Good Vibrations). Diese Formen werden selten für den gesamten Song, sondern meist nur für einzelne Teile eingesetzt. In Little Deuce Coupe verwendet Wilson sie beispielsweise in der Strophe, aber nicht im Refrain. Umgekehrt ist es in den Titeln Dance, Dance, Dance oder Surf City.

Manchmal wandelt er dabei auch, speziell in den letzten vier Takten, die vorgegebene Form ab.

Diese Schemata werden in späteren Songs (auf den Alben Pet Sounds oder Smiley Smile) erweitert, aber nicht prinzipiell aufgehoben. Der verstärkte Einsatz von experimentellen musikalischen Mitteln macht sie allerdings weniger bemerkbar. So weist Good Vibrations in der ersten Hälfte des Titels noch einen regelmäßigen Aufbau mit Strophe und Refrain auf, welcher in Taktgruppen mit Zweierpotenzen (2, 4, 8, 16, 32, 64) konstruiert ist. Danach schließen sich zwei Episoden/Einschübe an, die unregelmäßig auch mit ungeraden Taktlängen gebaut sind und sich auch von der Instrumentierung und dem Stimmungsgehalt deutlich von Strophe und Refrainteil abheben. In ähnlicher Weise in mehrgliedriger Form angelegt ist der Titel Heroes and Villains.

Beginnend mit dem Album Pet Sounds individualisierte sich der Sound der Band durch den Einsatz damals unüblicher Instrumente und komplexerer Strukturen zunehmend von konventionellen Traditionen der Popmusik. Ab Pet Sounds und stärker noch Smiley Smile setzte Brian Wilson verstärkt eine Art von Montage beziehungsweise Collagetechnik ein, indem er unterschiedliche und oft zu verschiedenen Zeitpunkten entstandene kurze Einfälle oder musikalische Motive oder Riffs im Studio miteinander kombinierte und zu einem Song verband. Er beschrieb dieses Vorgehen in Bezug auf den Titel Good Vibrations selber in folgenden Worten:

Ich hatte viele unvollständige Ideen, Fragmente von Musik, die ich ‚feels‘ nannte. Jedes ‚feel‘ repräsentierte eine Stimmung oder Emotion, die ich empfand, und ich plante, diese wie ein Mosaik zusammenzubringen.

– Brian Wilson


Instrumentierung

Typische Markenzeichen der frühen Aufnahmen sind der sauber intonierte mehrstimmige Vokalsatz, die meistens von Brian Wilson und später auch von Al Jardine gesungene hohe Falsettstimme, der Sound der Twang-Gitarre (I Get Around), sowie Einwürfe der Hammondorgel (Fun, Fun, Fun, Surfin’ USA). Angesichts der häufig komplexen Chorsätze ist der instrumentale Teil der Beach-Boys-Songs häufig sparsam und einfach gehalten.

In den späteren Aufnahmen der Band werden diese Schemata häufig durchbrochen und erweitert. Im für damalige Verhältnisse aufwändig produzierten Titel Good Vibrations beschritt die Band von der formalen Gliederung und Instrumentierung her neue Wege. Der Titel weist für einen dreieinhalb Minuten dauernden Song eine vielfältige aus verschiedenen Abschnitten gebildete modulare Struktur auf und ist ungewöhnlich instrumentiert. Die einzelnen Abschnitte heben sich in Bezug auf Rhythmus, Klangbild und Stimmung deutlich voneinander ab. Die genreüblichen Gitarren wurden weggelassen und unübliche Instrumente wie das Tannerin, ein rhythmisch verwandtes Cello, Mundharmonika und ein klanglich verändertes Klavier eingesetzt. Brian Wilson beschrieb die musikalischen Strukturelemente und den tontechnischen Entstehungsprozess des Titels folgendermaßen:

Innerhalb der drei Minuten und fünfunddreißig Sekunden von Good Vibrations, erklärt Brian, treten viele Änderungen am Riff auf. Der Song hat viel Bewegung … Wechsel, Wechsel, Wechsel. Hier Harmonien aufbauen, blende diese Stimme aus und jene ein, setz’ den Hallraum ein, mach’ das, nimm das Theremin dort, mache das Cello ein wenig lauter … eine Abfolge von komplizierten Harmonien und Stimmungswechseln … Ich meine, es war eine richtige Produktion, wohl die größte Produktion unseres Lebens.

– aus dem Begleitheft zur CD Smiley Smile

Genauso sind in Kontrast zu den aufwändig besetzten und produzierten Songs oder Abschnitten manche Stücke im Sinne eines bewussten Understatement spärlich instrumentiert. Dies bewirkt wie zum Beispiel im Titel Wonderful mitunter eine instabile und zweideutige beziehungsweise unklare Tonalität der oft nur mit einstimmigem Gesang und vereinzelten Basstönen oder Geräuschen versehenen und ohnehin häufig harmonisch „gewagten“ Kompositionen.[54] In manchen Titeln fällt eine ungewöhnliche instrumentale Kombination auf. So wird in She’s Goin Bald der A-cappella-Gesang in ungewohnter Form mit Perkussion kombiniert.

Der Titel Fall Breaks and Back to Winter (W. Woodpecker Symphony) verwendet ungewöhnliche Instrumente wie Holzblöcke, Windspiele und Röhrenglocken. Der Song God Only Knows verwendet in der Einleitung eher mit klassischer Musik assoziierte Instrumente wie Flügelhorn und Cembalo, und in I Know There’s an Answer wird ein Banjo benutzt. Ein Streichorchester wird auf Don’Talk und Let’s Go Away For a While (Pet Sounds) eingesetzt. Auf Let’s Go Away For a While fallen zu Beginn des Titels hochgestimmte Glöckchen auf.

Besonders auf den Alben Pet Sounds und Smiley Smile setzte die Band bei vielen Songs neuartige Stilmittel wie Geräusche (Blasen auf einer Flasche und Geräusch des Einschenkens in ein Wasserglas beim Titel Vegetables), Fahrradklingeln, Aufnahmen von vorbeifahrenden Zügen und bellenden Hunden (Caroline, No), Manipulation/Hochziehen der Bandgeschwindigkeit (She’s Goin’ Bald und Wind Chimes), Echo- (Good Vibrations) und Halleffekte (Wind Chimes, You Still Believe in Me) oder lange Pausen (The Little Girl I Once Knew) ein.