Geschichte
Die frühen Jahre
Brian Wilson zeigte schon früh Interesse an der Musik. Als Jugendlicher analysierte er vor allem die mehrstimmigen Vokalharmonien der Four Freshmen und studierte deren Stücke mit seinen beiden jüngeren Brüdern Dennis und Carl ein. Ihre Eltern Murry und Audree Wilson unterrichteten ihre Kinder Brian und Carl in Gesang und Instrumentalspiel, während sich deren Bruder Dennis lieber am Strand vergnügte. Er war das einzige Bandmitglied, das tatsächlich surfte.
Im Alter von 16 Jahren bekam Brian Wilson ein Tonbandgerät geschenkt und nutzte dieses, um mittels Overdubbing erste Aufnahmen zu erstellen. Sein jüngerer Bruder Carl brachte Brian mit Rock ’n’ Roll in Berührung, was Brian Versuche unternehmen ließ, diesen mit Harmoniegesang zu verbinden. 1961 wurde schließlich die Idee geboren, mit Brian Wilson, seinen Brüdern Dennis und Carl, ihrem Cousin Mike Love und Brians Schulfreund Alan Jardine eine Band zu gründen, welche mehrfach den Namen wechselte, bevor sie sich The Pendletones nannte. Dennis wurde in die Band aufgenommen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt kein Instrument spielen konnte und das Schlagzeugspiel erst während der
Gründungsphase erlernte. Murry Wilson kannte das Verlegerehepaar Dorinda und Hite Morgan und organisierte ein Vorspielen. Sie konnten die Morgans mit ihrer Coverversion von Sloop John B jedoch nicht überzeugen. Dennis Wilson erregte das Interesse des Ehepaares, indem er ihnen erzählte, dass die Band bereits über eine Eigenkomposition mit dem Titel Surfin’ verfügte. So traf man sich am 15. September 1961 zu einem zweiten Vorspiel im Heimstudio der Morgans. Das Surf-Konzept überzeugte die Morgans und sie nahmen drei Songs der Band auf. Zwei dieser Songs, Surfin’ und Luau wurden Anfang Oktober in den World Pacific Studios in Los Angeles als Single neu aufgenommen. Brian Wilson, der bereits den Großteil der letzten Aufnahmen musikalisch geleitet hatte, übernahm abermals die Führung. Die Single erschien beim lokalen Label Candix, wobei der dortige Vertriebsmitarbeiter und spätere Präsident von Fox Records, Russ Regan, die Band ohne deren Wissen in The Beach Boys umbenannte. Die Platte vom Jahresende 1961 wurde mit Platz zwei in Los Angeles ein regionaler Hit und landete in den US-Billboard-Charts auf Platz 75.
Der erste Plattenvertrag bei Capitol Records
Murry Wilson organisierte den ersten bezahlten Auftritt beim Ritchie Valens Memorial Dance am 1. Januar 1962. Die Band mietete sich in den Western Studios ein und nahm weitere Lieder auf, darunter Surfin’ Safari, 409 und Surfer Girl. Hierbei kam es bereits zu ersten kleineren Auseinandersetzungen mit dem selbsternannten Bandmanager Murry Wilson. Er wollte die Band produzieren und schlug vor, einige seiner eigenen Werke aufzunehmen. Dies lehnte die Band jedoch ab. Schließlich wurde Wilson mit den fertigen Bändern bei Major-Labeln wie Dot Records, Decca Records und Liberty Records vorstellig, die ihn jedoch alle abwiesen.
Nick Venet von Capitol Records gab der Band im Frühjahr 1962 schließlich eine Chance und veröffentlichte die Single 409/Surfin’ Safari, wobei Brian Wilson in Surfin’ Safari das höhere Hitpotenzial heraushörte. Als sich nach den ersten Verkaufswochen herausstellte, dass Surfin’ Safari tatsächlich bei den Konsumenten besser ankam, platzierte die Plattenfirma den Titel auf die A-Seite. 409 erreichte in den US-Billboard-Charts Platz 76, während Surfin› Safari bis auf Platz 14 kletterte und die Beach Boys über Nacht zu Stars machte. Die getrennte Hitparadennotierung der Titel von A- und B-Seite der Single war durch den Einfluss von Airplay auf die Charts möglich. Die Beach Boys erhielten einen langfristigen Plattenvertrag und veröffentlichten im Oktober 1962 das Debütalbum Surfin’ Safari. Jardine hatte zu diesem Zeitpunkt die Gruppe bereits verlassen, um zurück an die Universität zu gehen. Ersetzt wurde er durch David Lee Marks, einen damals erst 13-jährigen Nachbarn der Familie Wilson. Zur Verwaltung der Musikrechte und des Vertriebs gründeten Murry und Brian Wilson das Unternehmen Sea of Tunes.
Nur wenige Monate nach dem Debütalbum erschien Surfin’ U.S.A., dessen Titellied Platz drei der Billboard-Charts erreichte. Da die einzelnen Gruppenmitglieder –
auch aufgrund ihrer Jugend – ihre Instrumente technisch und stilistisch noch nicht perfekt beherrschten, wurden sie bei Aufnahmen teilweise von Studiomusikern unterstützt. Die anstehende Tournee fand ohne Brian Wilson statt, der dies mit gesundheitlichen Problemen begründete. Alan Jardine war zu jener Zeit bereits wieder nach Kalifornien zurückgekehrt und nahm das Angebot Brian Wilsons an, ihn als Bassist auf der Tournee zu ersetzen. Als David Lee Marks kurze Zeit darauf die Band verließ, um die High School zu beenden, übernahm Jardine wieder den festen Platz an der Rhythmusgitarre.
Mit der Arbeit von Venet, der die ersten beiden Studioalben produziert hatte, waren die Beach Boys unzufrieden. Vor allem Brian Wilson kritisierte, dass Venet ohne Rücksprache mit der Band deren Sound veränderte. Murry Wilson war zudem der Meinung, dass bei Capitol Records niemand wusste, wie Rock ’n’ Roll zu produzieren sei. Obwohl es zu jener Zeit unüblich war, setzten die Beach Boys durch, sich künftig selbst produzieren und außerhalb des Capitol-Records-Studios arbeiten zu dürfen. Auf ihrem dritten Album Surfer Girl stand erstmals „produziert von Brian Wilson“. Es wurde zum größten Teil wieder in den Western Studios von Los Angeles aufgenommen.
Der schnelle Erfolg der Gruppe, die in den USA zur „Teenagersensation“ aufstieg, führte dazu, dass sie neben verschiedenen Fernsehauftritten Tourneen durch die USA, Australien und Europa absolvierte. Zudem verlangte ihre Plattenfirma neues Material. So spielten sie etwa während einer Tourneepause von zwei Wochen das komplette Album Little Deuce Coupe ein.
Durchbruch in den USA
Zwischen 1963 und 1965 hatten die Beach Boys zwanzig Top-40-Singles und mit I Get Around 1964 ihren ersten Nummer-eins-Hit. In den ersten beiden Jahren ihres Bestehens veröffentlichten sie insgesamt sieben Alben. Sie platzierten zeitweise bis zu fünf Alben gleichzeitig in den Charts, darunter 1964 das Beach Boys Concert als erstes ihrer Alben auf Platz eins. Zu dieser Zeit trennte sich die Band endgültig vom Manager Murry Wilson aufgrund unterschiedlicher musikalischer Vorstellungen und weil sie sein Verhalten als autoritär empfanden.
Brian Wilsons zunehmend komplexer werdende Arrangements bedingten den vermehrten Einsatz von Studiomusikern. Er schrieb außerdem Songs für andere Bands, darunter den Nummer-eins-Hit Surf City für Jan and Dean. Der auf ihm lastende Leistungsdruck sowie das ungewollte Leben auf Tournee führten dazu, dass Wilson kurz vor Weihnachten 1964 vor Beginn einer Konzerttournee einen schweren Nervenzusammenbruch erlitt. Als Ersatzmusiker sprang zunächst Glen Campbell ein, der bereits an mehreren Beach-Boys-Studioaufnahmen mitgewirkt hatte. Im Januar 1965 gab Brian Wilson offiziell seinen Rücktritt vom Tourleben bekannt, um sich ganz auf die Komposition und Produktion neuer Stücke
konzentrieren zu können. Campbell, der neben seinen instrumentalen Fähigkeiten die Falsettstimme beherrschte, lehnte eine Vollmitgliedschaft in der Band ab, da er neben seiner Arbeit als Studiomusiker eine Solokarriere verfolgte. Schließlich stieg Bruce Johnston im April 1965 als vollwertiges Mitglied bei den Beach Boys ein, nachdem er im Auftrag der Band erfolglos nach einer Ersatzbesetzung gesucht hatte.
Die Gruppe ging auf Tournee, während Wilson in Los Angeles blieb, neue Lieder schrieb und diese mit Studiomusikern einspielte. Die Band steuerte meist lediglich den Gesang oder einzelne Instrumentalspuren bei. Bei den neueren Stücken lag Brian Wilsons Fokus nicht auf dominanten Gitarren, sondern auf dem verstärkten Einsatz von Keyboard und Schlagzeug. Zudem waren ihm ausdrucksstarke Texte wichtig. The Beach Boys Today! zeigt die Weiterentwicklung von Wilson als Komponist und Produzent. Es enthält auf der ersten Seite eingängige Pop-Songs und auf der zweiten Seite traurige Balladen. Dieser Trend wurde auf dem Album Summer Days (And Summer Nights!!) fortgesetzt, das Stücke wie California Girls und den zweiten Nummer-eins-Hit der Band Help Me, Rhonda enthält.
Pet Sounds und der Gipfel des Erfolges
Vor allem die Konkurrenz zu den Beatles weckte in Brian Wilson den Ehrgeiz, das „größte Rock-’n’-Roll-Album aller Zeiten“ zu schaffen. Er beschloss, auf „Albumfüller“, wie sie in den frühen 1960er Jahren üblich waren, zu verzichten und ausschließlich qualitativ hochwertige Stücke einzuspielen. Inspirieren ließ er sich nach eigenen Worten dabei unter anderem vom Beatles-Album Rubber Soul. Um dieses Ziel zu erreichen, beschritt Wilson neue Wege. So wollte er sich entgegen den Vorstellungen der Plattenfirma für die Aufnahmen mehrere Monate Zeit nehmen. Um die Lücke an Veröffentlichungen zu überbrücken, einigte man sich auf das Album Beach Boys’ Party!. Darauf wurden akustische Coverversionen aufgenommen und diese zwecks Vermittlung einer vorgeblichen Livesituation durch Partygeräusche ergänzt.
Das Album verkaufte sich in Europa und Großbritannien sehr gut. Die Beach Boys wurden auf eine Tournee durch Europa und Japan geschickt. Dies gab Wilson die Zeit, an seinem kommenden Werk zu arbeiten. Er engagierte die besten Studiomusiker von Los Angeles für die Einspielung der Instrumentalspuren und „dirigierte“ teilweise bis zu 40 Musiker, um den ihm vorschwebenden „perfekten Klang“ zu erzeugen. Er komponierte, arrangierte und produzierte die Stücke im Alleingang, was 1966 noch unüblich war. Pet Sounds hatte mit den üblichen Themen der Beach Boys – Surfen, Sonne, Mädchen, Autos – nichts zu tun, sondern enthielt „Songs der Sehnsucht, der Erwartung, der Sorge und des Bedauerns“. Die Texte entstanden in Zusammenarbeit Wilsons mit dem Texter Tony Asher. Er transformierte die Gedanken Brian Wilsons zu den einzelnen Liedern in konkrete Songtexte.
Die Plattenfirma war unzufrieden mit dem Stilwechsel des im Mai 1966 veröffentlichten Konzeptalbums, bewarb es in den USA kaum und veröffentlichte nur wenige Wochen nach Pet Sounds bereits die Kompilation The Best of the Beach Boys. Da Capitol bei Nachbestellungen anstatt Pet Sounds diesen Sampler auslieferte, galt das Album schon bald nach seiner Veröffentlichung als Sammlerstück. Pet Sounds erreichte nur Platz zehn der US-Billboard-Charts. Brian Wilson, der mit einem größeren Erfolg gerechnet hatte, war über die schlechte kommerzielle Akzeptanz des Albums in den USA tief enttäuscht.
Wesentlich erfolgreicher war das Album in anderen Musikmärkten, besonders in Großbritannien, wo es Platz zwei der Charts erreichte. Für die nächste Single Good Vibrations führte Brian Wilson ab Februar 1966 über sechs Monate hinweg unzählige Aufnahmen in vier verschiedenen Studios durch, um die unterschiedlichen Studioklänge zu nutzen und die einzelnen Teile anschließend zusammenzuschneiden. Der Song war bereits während der Pet-Sounds-Sessions bearbeitet worden, wurde jedoch von Wilson nicht für das Album verwendet. Im Oktober 1966 erschien der Song als Single und kletterte in den USA und Großbritannien auf Platz eins, in Deutschland auf Platz acht.
Smile – Ein neues Klangbild
Ab Mai 1966 begann Brian Wilson an einem neuen Projekt zu arbeiten, für das er Van Dyke Parks als Texter engagierte. Zuerst nannte er es Dumb Angel, später nannte er es in Smile um. Um sich in eine passende Stimmung für die Komposition der Lieder zu versetzen, ließ er in seinem Wohnzimmer einen Sandkasten um sein Klavier herum aufstellen.
Die Stücke aus dieser Zusammenarbeit waren wesentlich anspruchsvoller als Wilsons bisherige Werke und erregten den Unmut von Bandmitgliedern und Plattenfirma. Vor allem Mike Love kritisierte die Klangbilder und Texte, die sich für ihn zu weit vom Stil der Band entfernten und live schwer zu vermitteln seien. Während der Aufnahmen kam es im Studio zum Streit zwischen Love und Van Dyke Parks. Parks beendete die Partnerschaft mit Wilson, und die beiden Musiker gingen unverrichteter Dinge auseinander.
Durch den zunehmenden Drogenkonsum – Brian Wilson hatte etwa 1965 begonnen Marihuana zu konsumieren, etwas später experimentierte er mit LSD –, den Verlust seines Text- und Inspirationspartners Dyke sowie die anhaltende Kritik war Brian Wilsons Wille, das Projekt zu beenden, endgültig gebrochen. Zudem wurden neue Veröffentlichungen zurückgehalten, da die Band mit der Plattenfirma aufgrund vorenthaltener Tantiemen und wegen Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung im Streit lag. Als die Plattenfirma im Juni 1967 bereit war, Smile zu veröffentlichen, hatten die Beatles bereits Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, ein Album mit einem durchgängigen Konzept, veröffentlicht. Da Smile ebenfalls als Konzeptalbum geplant war, weigerte sich Brian Wilson – um nicht als Nachahmer angesehen zu werden –, das Album zu veröffentlichen. Da seit Oktober 1966 kein neues Material der Beach Boys erschienen war, reagierte Capitol Records mit der Veröffentlichung eines weiteren Greatest-Hits-Albums mit dem Titel Best of the Beach Boys Vol 2.
Die Beach Boys koppelten unterdessen das Lied Heroes and Villains als Single aus, die den zwölften Platz der Billboard-Charts erreichte. Dies war die erste Veröffentlichung über die bandeigene Plattenfirma Brother Records, die gegründet worden war, um eine Plattform für musikalische Experimente zu haben und als Nachfolger der bandeigenen Sea of Tunes zu fungieren.
Die Band begann schließlich, an Smiley Smile zu arbeiten, das neben den veröffentlichten Singles meist rasch aufgenommene, improvisierte Stücke enthielt. Der Produktionscredit auf diesem Album lautet zum ersten Mal: „produziert von den Beach Boys“. Brian Wilson zog sich von diesem Zeitpunkt an verstärkt aus der Öffentlichkeit und von der Band zurück.